Artikel von Alicia Göldi
und Svenja Sempach

Wie sprechen Bilder Klima-Klartext?

Klimawandel, Klimakatastrophe oder Klimakrise? Mit diesen Begriffen wird in den Medien immer wieder Jongliert. 1971 gab es bereits die erste grosse Warnung vor irreversiblen Folgen der Industrialisierung durch die Deutsche Physikalischen Gesellschaft, wie die ARD in einem Artikel Geschichte der Klimaforschung schreibt. Spannend ist, dass der Titel einer SRF Arena Sendung aus dem Jahr 1995 «Klimakatasrophe» heisst. Heute wird dieser Begriff in den Medien eher weniger verwendet — zu abschreckend. Wir verwenden das Wort «Krise» und möchten damit nicht entmutigen, jedoch versuchen, die Realität so zu erzählen, wie sie ist, beziehungsweise wie wir sie wahrnehmen. Und nun ja… Waldbrände, steigende Meeresspiegel, Biodiversitätsverlust, Lebensmittelknappheit und die starken Regenfälle diesen Sommer in der Schweiz sind klare Hinweise auf eine Krise — eine, die den Planeten und die gesamte Menschheit betrifft.

«Die von Menschen erzeugten Veränderungen in der Atmosphäre, aber auch ihr Einfluss auf Geologie, Artenvielfalt und Ökosysteme prägen längst die ganze Erde. Darum ist mancherorts davon die Rede, dass wir im Anthropozän leben, also im ersten Erdzeitalter, das wesentlich vom Menschen bestimmt wird», so der deutsche Journalist Jens Balzer, Autor und Kolumnist, unter anderem für die Zeit und Deutschlandfunk Kultur. Kurz: Menschen gestalten ihre (Um)welt mit. Damit tragen wir Verantwortung und diese spiegelt sich unter anderem im Journalismus wider.

Die mediale Berichterstattung über die Klimakrise scheint jedoch ein schwieriger Balanceakt: Die Menschen über die negativen Folgen zu informieren, aber nicht gleich zu demotivieren. Daher sollten positive Veränderungen und Lösungsansätze miteinbezogen werden, doch da kann man in der Klima-Thematik schnell in die Schönfärberei abdriften oder einem wird vorgeworfen, eine politische Agenda zu verfolgen. 

Wie zeigen wir eine Krise, deren Auswirkungen vielfältig, global und teils undurchsichtig sind? Ein Bild reicht hier nicht aus. Doch welche Visualisierungen werden der Realität gerecht? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten zu diesen Fragen über die Berichterstattung über die Klimakrise gemacht. Dafür haben wir mit drei Medienschaffenden gesprochen, die Expertise und Praxiserfahrung in Fotografie, Informationsdesign, investigativen Recherchen und vor allem im Journalismus aufweisen. Unterschiedlicher könnten die Drei in ihrer journalistischen Arbeitsweise nicht sein. Trotzdem verfolgen in der Berichterstattung alle dasselbe Ziel: So realitätsgetreu, transparent und ehrlich wie nur möglich zu sein.

Momentaufnahmen und zeitliche Bezüge

Auf der Suche nach der richtigen Visualisierung zur Klimathematik haben wir unter anderem mit Adina Renner gesprochen. Sie kennt sich mit visueller Darstellung komplexer Themen besonders gut aus. Adina hat einen Bachelor in visueller Kommunikation und einen Master in Informationsdesign. Heute bringt sie ihr vielseitiges Wissen bei der NZZ im Visuals-Ressort und im Ausland-Ressort ein. Als visuelle Journalistin führt sie dort seit rund zwei Jahren Recherchen durch, analysiert komplexe Daten und publiziert visuelle Geschichten über internationale Themen, unter anderem auch über die Klimakrise. 

 Sie erzählt uns, dass die visuelle Umsetzung von Artikeln zur Klimakrise oft eine Herausforderung ist. «Bei der Bebilderung mit Fotos zum Beispiel, ist es leicht, in Klischeebilder zu fallen. Einerseits möchte man kein falsches Bild vermitteln, indem man im Hitzesommer Menschen plantschend im Wasser zeigt. Andererseits möchte man auch nicht Schwarzmalen, indem nur apokalyptische Landschaften gezeigt werden. Hier das richtige Mass zu finden, ist sehr schwierig», sagt Adina.

Die Klimakrise fotografisch abzubilden, keine leichte Aufgabe. Wir haben vor dem Gespräch mit Adina bereits mit dem Fotografen Niklas Eschenmoser gesprochen. Niklas fotografiert da, wo die Klimakrise in der Schweiz sichtbar ist. Er findet Eindrücke von Auswirkungen der Klimakrise in den Schweizer Alpen, in kleinen Bergdörfchen oder im Alltag.

Menschen, die sich für die Gletscherinitiative einsetzten, organisierten eine Wanderung, um gemeinsam für Klimaschutz einzustehen. Sie laufen entlang der Spuren des Klimawandels mit Blick auf die Moräne des Unteren Grindelwaldgletschers. 

Grindelwald, Schweiz, © 2021 Niklas Eschenmoser (niklaseschenmoser.com)

Ihm gehen diese Veränderungen der Landschaft durch die Klimakrise nahe. Auch weil sich die Zerstörung von Naturräumen unmittelbar auf die Lebensbedingungen des Menschen auswirkt.

Niklas erforschte in seiner Bachelorthesis im Studiengang Multimedia Production, wie die Klimakrise  fotografisch in internationalen Zeitungen dargestellt wird. Als Praxisprojekt nahm er seine Kamera selbst in die Hand. Seine Bildserien zeigen die Schönheit und Fragilität der Natur und wie Klimaveränderungen das Leben verschiedener Menschen beeinflussen. Ursprünglich aus Freude an der Naturfotografie, erkennt Niklas mittlerweile auch den politischen Wert seiner Arbeit. «Mit der Fotografie begonnen habe ich aus Freude an der Natur, der politische Gedanke kam erst später hinzu», erklärt Niklas. 

Mit seinen Fotografien möchte er den Betrachtenden zeigen, wie verstrickt die Abhängigkeit von Mensch und Natur ist. «Im besten Falle lösen die Bilder bei den Betrachtenden eine Emotion oder einen Denkanstoss aus und tragen dadurch zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen der Klimakrise bei», so Niklas. 

Die Fotografie ist ein Weg, die Auswirkungen der Klimakrise in Bildern zu zeigen. Momente, die festgehalten werden, ein Stück Lebensrealität. Was in einer Fotografie ausbleibt, ist ein Blick in die Zukunft oder auf wissenschaftliche Daten. Hier können visuelle Journalist:innen zeitliche Bezüge schaffen und für ein weiterführendes Verständnis sorgen. 

Ein Blick in die Zukunft (oder auch in die Vergangenheit) schafft Adina beispielsweise in einem Artikel zum Thema Klimamodelle. Zusammen mit dem NZZ-Klima-Redaktor Sven Titz recherchierten sie zur Frage, wie künftige Veränderungen des Klimas anhand von Daten berechnet werden. «Das mussten wir für das Verständnis der Leserschaft grafisch darstellen, denn Klimamodelle sind komplex», so Adina. Ausserdem sei es einfacher, bei grafischen Visualisierungen Unsicherheiten in den Daten darzustellen. Bedeutet, dass auch Messunsicherheiten, beziehungsweise das Unsicherheitsintervall, auf einer Visualisierung dargestellt werden können. So werden unterschiedliche Klima-Szenarien, die stattfinden könnten, sichtbar gemacht.

Datenmengen für Zukunftsprognosen

Wie im Artikel hervorgeht, gibt es viele mögliche Szenarien. Die Datenauswertung, gerade mit den Einflüssen des Wetters, sind nicht immer gut greifbar, besonders in der Berechnung von Wolkenmassen. Doch der Artikel zeigt, dass Klimamodelle die Grundlage sind, um künftige Anpassungen an landschaftliche und klimatische Veränderungen zu bestimmen. Forschende können dank den Klimamodellen herausfinden, welche Pflanzenarten künftig angebaut werden können, wie stark sich Menschen vor Hitze schützen müssen oder wie gross die Entwässerungskanäle künftig bemessen sein sollten. Folgend eine Visualisierung aus dem Artikel.

Visualisierung: Adina Renner, Mitarbeit Illustration: Anja Lemcke.
Quellen Visualisierung:
Fourth Assessment Report, Sixth Assessment Report,
IPCC.
CIMP6, Dirk Notz, Universität Hamburg

Eine Frage der Erzählung

Adina erzählt uns den Ablauf zur Umsetzung einer Visualisierung: «Bei der Arbeit ist es immer wieder eine neue Zielfindung. Es gibt eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten, was genau vermittelt werden kann», so Adina und zählt einige dieser Möglichkeiten auf: «Möchten wir nur sagen, dass es zwei Grad heisser geworden ist? Möchten wir die Spannweite von allen möglichen Temperatur-Szenarien aufzeigen und möchten wir auch noch erklären, wieso es diese Spannweite gibt?»

In der fotografischen Erzählung gibt es nochmals ganz andere Fragen. Niklas sieht die Wichtigkeit vor allem darin, den Bezug zum Alltag herzustellen. Dadurch spüren die Menschen eine gewisse Nähe zum Thema, so dass sie sich direkt angesprochen fühlen. Wenn es Ereignisse in der Schweizer Landschaft gibt, sind die Auswirkungen für uns näher spürbar. «In Grönland schmelzende Eiskappen zu zeigen, liegt zu weit weg. Mit diesen Bildern verstehen wir die Klimakrise als ein fernes Problem, das sich nicht im Hier und Jetzt abspielt.», so Niklas.

Doch auch für ihn ist es wichtig, einen zeitlichen Kontext zu schaffen. So setzt er die Fotografie in einen zeitlichen Kontext, um die fortlaufenden Prozesse der Klimakrise zu bebildern. Dafür versucht er, Bilder aus unterschiedlichen Momenten gegenüberzustellen, um einen Dialog zwischen den Bildern zu eröffnen. Dies ermöglicht einen neuen Blickwinkel, die Klimakrise nicht in spezifischen Themen zu verstehen, sondern sie zum Querschnittthema in allen Lebensbereichen zu machen.

 Damit betont er ebenfalls den zeitlichen Aspekt. Bei den Ansprüchen von Niklas und Adina geht bei beiden hervor: Das Verständnis für die Thematik zu vertiefen und die Auswirkungen der Klimakrise vorstellbarer zu machen – heute und in der Zukunft. 

Verständnis in mehrere Richtungen

Das Verständnis zu vertiefen ist auch ein Schritt in Richtung positive Veränderung. Doch die Berichterstattung bringt nicht nur in Bezug auf die Visualisierungen Herausforderungen. Das betonte Alex Tiefenbacher in unserem letzten Interviewgespräch für unsere Recherche. Alex ist seit 15 Jahren Journalistin bei dem eigen gegründeten Online Magazin das Lamm, schreibt aber auch für diverse andere Medien. Sie hat einen Master in Umweltnaturwissenschaften und einen in Philosophie, beide an der ETH Zürich. Heute schreibt sie als Journalistin über Klimapolitik und arbeitet als Umweltpädagogin. Dort ist sie mit Gruppen draussen unterwegs und bringt besonders jungen Menschen die Natur näher.

Alex nahm über die letzten 15 Jahre wahr, dass sich das Verständnis für die Klimakrise bei der Leser:innenschaft verstärkt hat. Das Verständnis der Unternehmen ebenfalls. Jedoch eher dahingehend, sich hinter grünen Fassaden zu verstecken.«Es ist schwieriger geworden, Sachen zu durchschauen, heute muss man in die Tiefe graben gehen», sagt Alex Tiefenbacher. 

das Lamm gründete sie während ihres Umweltstudiums gemeinsam mit einem Mitbewohner. Seitdem habe sich einiges verändert. Sie erklärt uns weshalb: «Die Firmen gaben anfangs zum Teil so dumm, entblössend naive Antworten, dass es damals als Journalistin viel einfach war, diese zu verwerten.» erzählt uns Alex macht gibt ein Beispiel: «Als die ersten Öko-Kleiderlinien herausgebracht wurden, bestanden diese bei H&M aus 51% Biobaumwolle. Das haben sie gemacht, weil man ab 51% Bio-Baumwolle die Kleidung als Bio-Kollektion anpreisen kann. Wir haben sie damals gefragt: Hey wieso habt ihr nur 51% Biobaumwolle drin? Da kam die Antwort von H&M: Das ist doch super, so können wir doppelt so viel Bio-Kleider produzieren. 

Das ist eine Antwort, die man heute nicht mehr geben könnte», sagt Alex lachend und ergänzt: «Darin sind sie heute viel besser geworden, im professionellen Greenwashing.»

Alex deckt in ihren Artikeln immer wieder verwirrende Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen auf, die sich mit positiven Entwicklungen in der Klima-Thematik brüsten möchten. Oftmals sehen diese Entwicklungen auf den ersten Blick zwar vielversprechend aus. Schaut man genauer hin, sind sie jedoch nur bedingt positiv oder auch gar nicht so gut. Durch ihren akademischen Hintergrund in Umweltwissenschaften deckt sie solche Fälle mit Eigenwissen und mit viel Recherchearbeit auf. «Klimaneutrale Schlachtabfälle?» ist ein Beispiel einer solchen Greenwashing-Geschichte.

Für die Bebilderung arbeitet Alex am liebsten mit dem Cartoonist Oger zusammen. Hier zum Beispiel das Titelbild zur Recherche «Klimaneutrale Schlachtabfälle». Cartoon: Oger (ogercartoon.ch)

Wir fragen Alex, was man im heutigen Klimajournalismus verbessern sollte und welche Bildsprache es dabei brauche. Dabei stellt sich heraus: Für Alex sind es nicht die Visualisierungen, welche in der Berichterstattung über die Klimakrise das zentrale Problem sind. Für sie ist eine gute Kontextualisierung der wichtigste Punkt. «Ich wünsche mir, dass der Bezug zum Klima in allen Ressorts viel mehr hergestellt wird», sagt sie und gibt uns ein Beispiel mit der unvollständigen Berichterstattung über die Überlastung der Schweizer Nationalstrassen. Bei den Berichten vom Bund oder auch vom SRF über die Verkehrsbelastung wurde kein Wort zum Klima erwähnt. Alex gibt zu bedenken, dass hier eine Kontextualisierung bezüglich Klimakrise stattfinden müsse. Konkret solle dabei erwähnt werden, wie stark sich der Verkehr auf die Emissionen auswirkt und was gemacht wird, um diese zu reduzieren. «Ich denke, die Kontextualisierung zum Klima müsste im Tagesgeschäft mehr in den Köpfen sein, in allen Ressorts, aber es ist natürlich natürlich schwierig, immer daran zu denken, wenn man aus einem anderen Bereich kommt», so Alex.

Auch Adina erwähnte den Wunsch, das Klima-Thema in andere Ressorts zu ziehen: «Ich finde, dass solche Themen ums Klima noch mehr Platz erhalten können, denn es betrifft alle Ressorts von Wirtschaft, Ausland und Inland. Dabei wäre es schön, das Klima-Thema auch gesellschaftlich anzuschauen, also im Privaten und im Berufsfeld.»

Bildsprache auf den Punkt bringen

Um der richtigen Bildsprache nochmals auf die Spur zu kommen, haben wir bei Adina, Niklas und Alex abschliessend nachgefragt, was für sie eine gute Visualisierung ausmache.

Adina sagt: «Eine gute Balance aus dem Herunterbrechen von Informationen und gleichzeitig den Miteinbezug von Quellen und Unsicherheiten, die transparent gemacht werden. Ausserdem sollte es auch Spass machen, die Visualisierung anzuschauen. Sie sollte attraktiv, klar und verständlich gestaltet sein.» Sie stellt hohe Ansprüche an Verständlichkeit und Transparenz. Sie stellt hohe Ansprüche an Verständlichkeit und Transparenz. 

Alex sagt zu einer guten Bebilderung von Klimathemen: «Wenn ich eine Recherche zu einem Zementkonzern schreibe, und nachher ein Bild von einem Schornstein zeige, bei dem oben ein bisschen Rauch herauskommt, das ist für mich irgendwie verschwendeter Platz. Ich frage mich dann: Wofür?» Alex redet nicht lange um den heissen Brei und bringt uns mit ihren direkten Aussagen manchmal zum Schmunzeln. Sie verwendet lieber kein Bild als das eines schmelzenden Glaces im Hitzesommer. Am liebsten arbeitet sie mit aussagekräftigen Cartoons, welche die meist politischen Inhalte ihrer Artikel aufnehmen, zum Hinterfragen anregen und manchmal auch mit Witz gespickt sind. Wir merken auch während unserer Arbeit: Ein bisschen Humor tut in aller Krise gut. 

Niklas, der bei seinen Reportagen vor Ort Bilder macht, kann seine Arbeit zur Bebilderung einfach zusammenfassen: «Wir gehen hin und schauen, was ist». Mit seiner Aussage kommen wir zu dem Punkt zurück, der den Journalismus ausmacht und gleichzeitig herausfordernd ist: Die Realität möglichst so abzubilden, wie sie ist.